Georg Friedrich Meier
Abbildung eines Kunstrichters
Nach der bei Carl Herrmann Hemmerde 1745 verlegten Ausgabe
mit Textkommentaren, Zeittafel und Nachwort
ISBN-13: 978-3-929 887-42-6
Mit der Publikation zweier berufsethischer Schriften: Abbildung eines Kunstrichters und Abbildung eines wahren Weltweisen Ende 1744 postuliert Meier als junger Privatdozent ohne Gehalt für zwei altehrwürdige Berufsstände neue sittlich-wissenschaftliche Normen, die gegen die tradierte Gewohnheit gerichtet sind. Nach Pyras Tod (1744) bleibt es Meier vorbehalten, für die neue deutsche Literatur (Anakreontik, Seraphik) zu streiten.
Den Auftakt zu dieser qualitativ neuen Phase Meiers gibt der Kunstrichter, wovon eine interssante Bemerkung von Uz an Gleim zeugt: „Ich habe einige Schriften HE. Mayers wider Gottscheden gelesen. Was für ein muthiger Kunstrichter ist aus ihm geworden! Sie werden sich noch wohl an die Zeit erinnern, da wir ihn, in Halle, nicht so muthig, sondern auf dem Catheder zitternd und bebend gekannt haben [...].“ 1
Im ‚Laublinger Kreis‘ findet Meier sein geistiges Hinterland und erfährt hier konstruktiv-kritische Unterstützung bei der Fortentwicklung der philosophischen Poetik. Mit der Abbildung eines Kunstrichters entwirft er die Logik der Kritik als Instrumentalkritik, welche dem Kunstrichter Bewertungs- und Verhaltenskriterien an die Hand geben soll.
Nach diesen Vorstellungen soll ein Kunstrichter zur Geschmacksbildung beim ‚Produzenten‘ und beim ‚Konsumenten‘ von Kunstprodukten beitragen. Von ‚kritischer Gerechtigkeit‘ als proportionale Güte gegen den Menschen (Meier, Baumgarten) geleitet, muß ein Kritiker unbestechlich und unparteiisch agieren können, notfalls darf er auch ein ‚Separatist‘ sein. Es sei allemal der sicherste Weg zur Wahrheit, dem großen Haufen zu widersprechen.
Die Kontroverse mit Gottsched ist hiermit eröffnet und mündet 1746 in der programmatischen Schrift: Untersuchung einiger Ursachen des verdorbenen Geschmacks der Deutschen in Absicht auf die schönen Wissenschaften. Als Motto dient hier der Satz des Horaz: Stultorum incurata pudor malus ulcera celat [„Töricht ist Scham, die Gebrechen verhehlt, statt sie heilen zu lassen“].
Meiers Schrift als Reflexion im Spannungsfeld zwischen Kulturbruch (Luthertum) und Kulturverlust (30-jähriger Krieg) sowie die sich daraus entwickelnde Zuwendung zur Aufklärung in produktiver Beziehung zum Pietismus setzt den Anfang zur Auseindersetzung mit und zur Kultivierung ästhetischer und ethischer Werte im Vormärz.
1 Brief von Uz an Gleim vom 30. Juli 1747 , enthalten in: C. Schüddekopf (Hg.), Briefwechsel zwischen Gleim und Uz, Tübingen 1899 , S. 181f.